Dienstag, 20. April 2010

Regen im Paradies

Ausnahmen bestätigen die Regel. Ausnahmsweise hat es letzten Samstag mal geregnet, obwohl wir uns mitten in der Trockenzeit befinden. Ach das war so herrlich - auf einem wurde es kühl, so richtig kühl, so wie in Deutschland. Das hat echt mal gut getan, eine kleine Auflockerung des anhaltend subtropischen Klimas. Vor Freude habe ich direkt mal ein hirnloses Video gemacht.

Am Tag danach war ich im Paradies. Paradies ist ein Haus an der Pazifikküste zu dem mich eine Kollegin aus dem Büro mitgenommen hat. An einem malerischen Strand unter Palmen hab ich dann eine Ausgabe der "Zeit" in einer Hängematte gelesen. Danach habe ich Mangos und Jocotes (oder so) gepflückt und war ein bisschen Planschen. Tja, mal kein Sex, Drugs and Crime.


Leider ist mein Kamera Akku ziemlich genau nach den beiden Bildern oben alle gegangen. Sonst hätte ich noch mehr gemacht. Tja...
Auf dem Weg ins Urlaubsparadies hatte ich jedoch noch die Möglichkeit ein Zeugniss interkultureller Aufbauunterstützung auf Film zu bannen.

Da soll mal einer sagen Berlin hätte kein Geld.

Freitag, 16. April 2010

Body Count

Ich sitze gerade in dem airconditionierten Büro von terre des hommes und schaue mir den aktuellen Jahresbericht über die Projektarbeit in Mittelamerika an. Teilweise graueneregende Zahlen, die ich da lesen muss. Kleine Kostprobe gefällig?

"Das durchschnittliche Einkommen einer Familie liegt bei 270 U$/Monat. 46,1 % sind arm und 14,9 % leben in extremer Armut, das heißt sie müssen mit weniger als 1 U$ pro Tag auskommen"

Oder noch schlimmer: "Durch die Abschaffung des medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch sind insbesondere vergewaltigte Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren schwer getroffen. Sie werden gezwungen, die nicht gewollten Kinder auszutragen, obwohl sie weder psychisch noch physisch dazu in der Lage sind. In den Medien wurden zwischen 2005 und 2007 1.247 Fälle von Vergewaltigung oder Inzest von Minderjährigen registriert. 198 dieser vergewaltigten Mädchen waren im Alter von 10 bis 14 Jahren und wurden schwanger." - Ja, da möchte man eigentlich nur noch kotzen.
Ich bin jetzt 6 Wochen hier. Gefühlt eine Ewigkeit und doch habe ich manchmal das GEfühl gerade erst aus dem Flieger gestiegen zu sein und die Gateway in richtung Hitze passiert zu haben. Man kann sagen ich habe mich an die Ungewohnheit gewöhnt. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist wohl das krasseste in diesem Land für mich. Vor 15 Jahren betrug der Staatshaushalt von Nicaragua inetwa dem der Stadt Frankfurt am Main. Das muss man sich mal vorstellen. Ich komme hier im Büro mit so vielen Zahlen in Berührung, die teilweise ein dermaßen düsteres Bild über diese Region abgeben, dass ich es gar nicht glauben kann - kleines Beispiel aus Guatemala vom Jahr 2009:
"Die Zahl der Morde stieg nochmals um 206 Fälle auf jetzt 6.498 Morde in einem Jahr , davon 720 Morde an Frauen. 330 Opfer waren zwischen 13 und 17 Jahren alt. Am gefährdesten sind junge Männer aus armen Vierteln zwischen 18 und 30 Jahren. Die meisten Morde werden wie im Fall von Rosenberg von bezahlten Mördern vollstreckt. Ein Leben ist oft nicht mehr als 20 U$ wert. In 97% aller Fälle gibt es keine Aufklärung der Fälle bzw. keine Verurteilung." - ja, also Guatemala hat um die 12 Millionen Einwohner und im Jahr 6,500 Morde (man beachte die Dunkelziffer, die bestimmt noch höher liegt), Deutschland hat 82 Millionen und im Jahr 2008 um die 900.

Letzten Samstag ist ein Kumpel von mir der im Jugendzentrum in Ciudad Sandino arbeitet überfallen worden. Er saß mit 2 Freunden vor seinem Haus, am helligsten Tag, als 2 Typen mit Messern kammen um sie um ihre Wertsachen zu erleichtern. Jetzt hat er eine große Wunde am rechten Arm. Das ist so krass, da sitzt der einfach vor seiner Hütte und wird fast abgestochen. In seinem Viertel, mit seinen Freunden am helligsten Tag. Ich habe mich eigentlich immer sicher gefühlt, als ich mit ihm zusammen durch die Gegend gelaufen bin.

Langsam bekomme ich das Gefühl, dass nicht die Frage ist ob ich überfallen werde, sondern wann ich überfallen werde. UNCOOL! Da bekommt man richtig Heimweh.

Spiel mir ein Lied über Hamburg.

Bei diesen Kriminalraten ist es wohl kein Zufall, dass ihr im Radio unentwegt die 90er Jahre Rap-Schnulze "Gangstas Paradies" von Coolio läuft.
"Living in a Gangstas Paradies". YO! Das mach ich.


Trotz all dem Horror vor der Tür gibts hier natürlich auch schöne Dinge. Zum Beispiel Busreisen. Da kann man sich 2 Stunden Salsa Pop Videos anschauen (Hey Macarena!) und danach billige australische Gewalt-B-Movies, das ganze mit einer Beinfreiheit, die selbst die in Ryanair Flügen unterbietet.



P.S: Wenn der Fjollafokylado, oder wie auch immer der isländische Vulkan heißt jetzt noch weiter spuckt, muss ich dann eigentlich mit dem Schiff nach Hause fahren?

Sonntag, 11. April 2010

Guns



Bienvenidos a la jungla. Ist vielleicht ein wenig übertrieben (hört sich aber cool an), jedoch ist die Landschaft in den Bergen rund um Somoto auch heute noch teilweise unberührte Natur (siehe Blogheader). Ich war zusammen mit Julieta, einer Mitarbeiterin von terre des hommes für 3 Tage unterwegs um ein Projekt für Jugendliche und junge Erwachsene zu besuchen. In Las Sabanas, einem kleinen Dorf 30 Autominuten von Somoto entfernt in den Bergen, steht eine kleine Schule in der die Jugendlichen der umliegenden Dörfern zu Agrartechnikern ausgebildet werden. Bienenzucht, Veterinärmedizin stehen ebenso wie Tourismus auf dem Lernplan.
Wir sind von Finca zu Finca gefahren und haben die Jugendlichen bezüglich auf ihre Ausbildung interviewt.
Ich kam in den Genuss den neuen Firmenwagen von terre des hommes, einem Hyundai mit 4-Rad-Antrieb, die steilen Serpentine zwischen den Bergdörfern hoch- und runterzubrettern. Das war eine willkommene Abwechselung zwischen den Interviews, da mein Spanisch noch zu Wünschen übrig lässt. Coolerweise ist Julieta trotz ihrer Ende vierzig Guns ´n Roses Fan und hatte eine CD dabei. Für meine kleine Rallye auf den schotter Bergstrassen hatte ich also die richtige musikalischen Untermalung.

Die beste Erdbeere der Welt gabs dort übrigens auch. Mann, war die lecker! Unvergesslich!


Ob das hier die normale Methode ist die Toten zu transportieren konnte ich nicht herausfinden. Ich habe nicht reingeschaut ob jemand drin lag. Ich möchte anmerken, dass ich diese Foto von einem fahrenden Motorraud aus geschossen habe - ich wilder Typ.

In den 80er Jahren herrschte in Nicaragua Bürgerkrieg. Die linksgerichteten Sandinisten, die Ende der 70er Jahre den Diktator Somoza erfolgreich nach Florida putschten, bekamen alsbald die harte Hande der Vereinigten Staaten zu spüren. Unterstützt von Geldern der USA bildeten sich die Contras, einer paramilitärischen Gruppe die von dem benachbarten Honduras aus Terror über das Land brachte. Zeitgleich bildete sich eine große Solidaritätsbewegung in Europa, die wahrscheinlich noch heute der Grund dafür ist, dass hier viele Deutsche, mit linkem Hintergrund, leben.
Auch Julieta war damals mitten im Geschehen. Während des Widerstandes transportierte sie Waffen in die Berge und Koordinierte die Truppen. Was für mich ehrlich gesagt schwer vorzustellen ist, da ich sie als nette kleine, etwas verplante Frau kennen gelernt habe, die sich sehr warmherzig um ihre Umgebung kümmert. Und die soll im Krieg gewesen sein, diese nette kleine Frau!?! Als ich sie dann fragte, ob sie den auch richtig in Gefechten gewesen sein lächelte sie mich nur an und sagte "Ja klar, was dachteste du denn wo ich war?" - Ja, was hatte ich eigentlich gedacht.

Sonntag, 4. April 2010

Jalapa

Die letzten paar Tagen waren Tourismus. Ich war im Norden Nicaraguas, habe in einem Pinienwald in der Nähe von Jalapa gezeltet und war Gast auf einer kleinen Finca auf der Kaffee und Bananen angebaut werden. Der Pinienwald hat mich mortz an die Atlantikküste von Frankreich erinnert. Ein Flashback an die Urlaube in der Nähe von Bordeaux. Das war sehr schön und richtig idylisch. Eine willkommene Abwechslung zum ständig vorhandenen Lärmpegel in Managua, dachte ich zu mindest. Leider hatte ich meine Rechnung ohne die abertausend Zikaden, die in eben diesen Pinienwäldern gerne wohnen, gemacht. In der Abenddämmerung machen die gerne mal so einen Krach, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht, wähnt man sich doch auf einer Startbahn direkt neben einem startenden Jet - ok, ich übertreibe. Aber ein wenig haben sie schon die Idylle getrübt.

Größere Kartenansicht

Zu unseren Zielen Jalapa und der Finca im Departamento Madriz sind wir über die Panamericana gefahren. Die Strecke ist wirklich gut ausgebaut, ich habe kaum ein Schlagloch gesehen noch gespürt. Leider hat sie nur zwei Spuren, als vergleichbar mit einer deutschen Schnellstraße, was jeden Überholvorgang ein wenig interessanter macht. Da ja immernoch Semana Santa, die Woche der Osterfeiertage, ist, war auch einiges los, für hiesige Verhältnisse, eigentlich wars ziemlich leer in meinen Augen. Da sich die meisten Menschen in Nicaragua sowieso kein Auto leisten können herrscht hier ein reger Busverkehr. Jetzt in der Urlaubsstoßzeit sind die Busse teilweise krass überfüllt, da hängen die Leute schon mal gerne hinten raus.


Stichwort: Semana Santa. Ich hatte ja schon mal geschrieben, das besoffen Schwimmen gehen, hier eine ebenso beliebtes wie gefährliches Hobby ist. Auf dem Bild unten sieht man einen kleine Teich, der zur Finca gehört, die ich besucht habe.

Ich konnte der Versuchung natürlich nicht widerstehen und bin reingesprungen um ein bisschen zu planschen. Später wurde mir dann erzählt, dass ein Verwandter der Finca-Besitzer vor vier Tagen nachts betrunken auf ihr Grundstück eingedrungen sei und dann auf die Idee kam Baden zu gehen. Leider war das seine letzte Idee. Der arme Mann ist ertrunken in dem Tümpel, in dem ich 4 Tage später schwimmen war. Hab ich natürlich erst danach erfahren.

Am letzten Tag unseres Kurztrips haben wir noch eine kleine Trekking Tour durch den Canyon von Somoto, in der Nähe von Honduras gemacht. Das war ein großer Spaß. Das aktuelle Header Foto meines Blogs ist dort entstanden. Das negativ Highlight war, als unser Guide, eigentlich ein cooler Typ, die geöffnete Box, in der unsere Wertsachen verstaut waren ins Wasser gleiten lies. Meiner Kamera ist nichts passiert, aber der Ipod von Lisa hat seinen Tauchschein gemacht. Doch - oh Wunder der Technik - geht er, nach dem Synchronisieren, wieder.
Meinen ersten Sonnenbrand dieses Jahr habe ich mir übrigens auch im Canyon abgeholt.